Gaetan Lepreux und Volker Dürr untersuchen in einem CITEC-Projekt, was der Fühler eines Insekts dem Vorderbein verrät
Wie geben die Fühler eines Insekts Informationen an die Beine weiter? Das wollen Gaëtan Lepreux und Professor Dr. Volker Dürr in dem Forschungsprojekt „Monitoring real-time real-world interaction in an identified neuron“ (Interaktionsmessung in Echtzeit durch ein identifiziertes Neuron) beantworten. Dazu untersuchen sie, wie Nervenzellen die Tast-Informationen der Fühler eines Insektes vom Gehirn an das Bauchmark übermittelt. Das Bauchmark von Insekten ist, ähnlich wie das Rückenmark von Menschen, der Teil des Nervensystems, der die Muskelkontraktionen und damit die Bewegung steuert.
„Die Neuronen, die die Informationen der Fühler im Gehirn an den Bewegungsapparat des Insektes weitergeben, nennen wir absteigende Neurone“, sagt Professor Dr. Volker Dürr von der Arbeitsgruppe Biokybernetik. „Interessant ist dabei, welche Information überhaupt an die Beinsteuerung weitergeleitet wird: Wie werden Informationen unterschiedlicher Sinnesorgane zum Zweck der zielgerichteten Bewegungssteuerung kodiert und zusammengefasst? Wie wirkt sich die Bewegung des Tieres auf diese Informationsübertragung aus?“
Vor kurzem haben die CITEC-Wissenschaftler Dr. Jan Ache (inzwischen am Forschungsinstitut Janelia Research Campus in Virginia, USA) und Dr. Stephan Haupt (inzwischen Universität Tokyo, Japan) in dem Forschungsprojekt einige der absteigenden Nervenzellen gefunden und charakterisiert. Normalerweise muss für die genaue Messung der elektrischen Impulse das Neuron mit einer sehr feinen Nadel angestochen werden. Bei der Nervenzelle cONv ist das nicht notwendig. Die Wissenschaftler können die Impulse des Neurons cONv unter den vielen Hundert Signalen in den Nerven des Bauchmarks finden und das sogar, während sich das Tier bewegt.
Gaëtan Lepreux, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Biokybernetik, führt das Thema in seinem Promotionsprojekt weiter. Er untersucht absteigende Nervenzellen in einem Elektrophysiologielabor. In dem Labor wird die elektrische Aktivität von Neuronen mit Elektroden erfasst. Messinstrumente verstärken die gemessenen Ströme der Neuronen und zeichnen sie auf. Wegen der geringen Größe der Nervenzellen findet die Messung unter einem Mikroskop statt. Sogenannte Mikromanipulatoren werden benutzt, um die Elektroden zu platzieren. Mit einer speziellen Kamera nehmen die Forscher auch die Bewegung des Fühlers auf.
Das Labor wird derzeit um eine Laufkugel erweitert, auf der das Insekt sich auch während der Messung fortbewegen kann. Das Tier bleibt dabei immer an derselben Position, denn die Kugel liegt auf einem Luftkissen, so dass das Tier sie beim Laufen unter sich drehen kann. „Dank der neuen Laufkugel werden wir in Zukunft messen können, wie schnell und in welche Richtung das Tier läuft und wie das die Aktivität der Nervenzellen verändert“, sagt Gaëtan Lepreux.
Die Ergebnisse aus den Experimenten sind bereits in ein Software-Modell eingeflossen, das die Eigenschaften unterschiedlicher absteigender Nervenzellen abbildet. Das Modell erklärt zum Beispiel, wie die Bewegung des Fühlers die charakteristischen Aktivitätsmuster der absteigenden Neurone nach sich zieht. Neuere Ergebnisse zeigen, dass die Aktivität des Neurons bei aktiver Eigenbewegung ganz anders ist, als bei passiver Auslenkung des Fühlers. Daran untersuchen die Wissenschaftler, wie die Informationsübertragung im Nervensystem bei aktiver Interaktion mit der Umwelt angepasst wird.
In dieser Projektlinie befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit besonders innovativen und originellen Themen, bei denen der Ausgang noch offen ist. Neben den eher kleinen hochriskanten Projekten gibt es noch vier Großforschungsprojekte und acht interdisziplinäre Projekte. Darüber hinaus forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Graduiertenschule an innovativen individuellen Projekten.
Weitere Informationen:
Projektseite: https://cit-ec.de/de/monitoring-real-time-real-world-interaction-identified-neuron
Kontakt:
Prof. Dr. Volker Dürr, Universität Bielefeld
Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC)
Telefon: 0521 106-5528
E-Mail: volker.duerr@uni-bielefeld.de