Der CITEC-Wissenschaftler Alexander Neumann forscht an einem intelligenten Spiegel. Dieser kann nicht nur bei Tätigkeiten im Alltag unterstützen, sondern könnte auf lange Sicht auch medizinische Daten erheben und auswerten.
Spiegel sind aus dem Alltag nicht wegzudenken: In nahezu jedem Haushalt hängt mindestens einer, in vielen sogar gleich mehrere. Schnell noch einmal in den Spiegel sehen, bevor man das Haus verlässt? Eine alltägliche Handlung. „Wir merken schnell, dass es die Abläufe stört, wenn einmal kein Spiegel vorhanden ist“, sagt Alexander Neumann von Exzellenzcluster CITEC.
Weil sie so allgegenwärtig sind, sind Spiegel ein beliebtes Forschungsfeld – auch in Bielefeld. „Im Alltag sind Spiegel sehr tief in unsere Abläufe eingebettet“, sagt Neumann. „Den Menschen ist der Umgang mit einem Spiegel vertraut.“ Neumann arbeitet in der Forschungsgruppe Ambient Intelligence (Umgebungsintelligenz), die Dr. Thomas Hermann leitet.
Aktuell forscht Neumann am Prototyp eines smarten Spiegels namens KogniMirror. Dieser wurde im Projekt KogniHome entwickelt, einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kooperation zwischen regionaler Industrie und Wissenschaft. In den Rahmen des Spiegels sind Dutzende Sensoren und Antriebselemente integriert. Sie können über verschiedenen Schnittstellen ausgelesen und angesprochen werden.
„Uns ist eine an den Einsatzbereich angepasste Funktionalität besonders wichtig“, sagt Neumann. Im Schlafzimmer kann der KogniMirror beispielsweise beim Ankleiden helfen, indem Personen ausprobieren können, wie ihr Shirt in einer anderen Farbe an ihnen aussehen würde. Denkbar ist auch, dass er aus vorhandenen Kleidungsstücken verschiedene Kombinationsmöglichkeiten zeigt. „Bei einem Spiegel im Flur wäre es wiederum zweckmäßiger, wenn er die nächsten Bus- und Bahnverbindungen einblenden würde“, sagt Neumann. Der intelligente Spiegel kann diese Informationen oder Voraussagen zur Wetterlage direkt aus dem Internet abrufen. „Letztlich gibt es sehr viele Prozesse im Haus, in die man den Spiegel einbinden könnte.“
In den Spiegel ist außerdem ein Lichtrahmen eingefasst. „Wir haben gemerkt, dass die richtige Beleuchtung eine große Rolle spielt“, sagt der 34-Jährige. So kann der Spiegel beispielsweise für warmes, behagliches Licht sorgen, welches das Gesicht weichzeichnet. Er kann aber auch sehr helles Licht erzeugen. Dies ist zum Beispiel gut geeignet, wenn jemand sich rasiert, schminkt oder frisiert und dafür auch winzige Details wahrnehmen muss.
In einem ihrer Projekte befassen sich die Mitglieder der Forschungsgruppe konkret damit, wie der Spiegel dabei helfen kann, den Alltag besser zu organisieren: Die Informatikstudentin Stefanie Fritz hat dafür den Spiegel im Rahmen ihrer Abschlussarbeit um eine Assistenz zum Krawattenbinden erweitert. „Der Spiegel unterstützt eine Person Schritt für Schritt dabei, den Schlips richtig zu binden“, sagt Neumann. Der Vorteil ist, dass die Beteiligten dabei vor dem Spiegel stehen und ihre eigenen Fortschritte direkt sehen. „Zum Schlipsbinden gibt es ein Video und eine bildliche Darstellung“, sagt der Informatiker. Denkbar ist, dass der Spiegel in ähnlicher Weise auch in anderen Alltagssituationen unterstützen kann.
Eine weitere Idee ist es, den Spiegel im medizinischen Bereich einzusetzen. „Zum Beispiel, um Langzeiteffekte von Medikamenten wie Blutdrucksenkern zu überwachen“, sagt Neumann. Wenn eine Person sich jeden Tag vor den Spiegel stellt, sind beispielsweise Veränderungen bei Hautfarbe und Durchblutung über einen längeren Zeitraum gut erkennbar. „Wenn ein Spiegel mit entsprechenden Sensoren ausgestattet ist, könnte er beispielsweise auch Informationen über Puls oder Atmung erfassen“, sagt Neumann.
Im Moment betreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Bielefeld aber zunächst einmal Grundlagenforschung mit ihrem Spiegel. „Uns geht es darum, überhaupt er erst einmal auszuloten, was sinnvolle Einsatzbereiche sein könnten und was für Benutzerinnen und Benutzer einen echten Mehrwert darstellt“, sagt Neumann. „Wenn der Spiegel sich nicht reibungslos in den Alltag einfügt, dann würde ihn niemand benutzen.“
Kontakt:
Alexander Neumann, Bielefeld University
Exzellenzcluster CITEC / Forschungsgruppe "Ambient Intelligence"
Telephone: 0521 106-12163
E-Mail: alneumann@techfak.uni-bielefeld.de
Autorin des Artikels: Maria Berentzen